Die Geschichte der SPD Büdelsdorf



Der Ortsverein der SPD Büdelsdorf verfügt leider über keine Unterlagen über seine Aktivitäten bis zur Gründung der Weimarer Republik 1919. Die sicherlich vorhanden gewesenen Unterlagen sind durch das Verbot der SPD 1933 verloren gegangen.
Das sicherste Indiz für die Tätigkeit der SPD bis 1919 in Büdelsdorf sind die Ergebnisse der Reichstagswahlen.

Schon wenige Jahre nach der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins im Jahre 1863 erhielt die SPD bei der Wahl zum Norddeutschen Reichstag im Jahre 1867 in der Nachbarstadt Rendsburg 50,5% der Stimmen.
Für Büdelsdorf liegen die Wahlergebnisse erst ab 1877 vor. Mit 79,3% entschieden sich die Wahlberechtigten (Männer) für die SPD.

SPD = 172 Stimmen
Linksliberale = 37 Stimmen
Konservative = 7 Stimmen
Nationalliberale = 1 Stimme

Ein Jahr später wurde die SPD durch das „Sozialistengesetz“ verboten. (1878 – 1890)

Die Verbreitung von Druckschriften und die Durchführung von Versammlungen waren nun verboten. Das galt auch für nahestehende Organisationen wie Gewerkschaften. Mitglieder und Wähler waren Repressionen ausgesetzt. Beim Hüttenarbeiter Claus Kühl in Borgstedt fand eine Hausdurchsuchung statt weil man bei ihm sozialdemokratische Schriften vermutete. Die Carlshütte entließ 1880 alle diejenigen Personen, die sich entweder als Wortführer oder als Geldeinsammler der Sozialdemokratie bemerklich machten.


Allerdings konnten Sozialdemokraten als Einzelpersonen für den Reichstag kandidieren. Die gewählten Abgeordneten bildeten im Reichstag eine sozialistische Fraktion. Sie wurden aber durch das Gesetz in ihrer Arbeit massiv behindert.
In dieser Situation bleibt in Büdelsdorf die Zustimmung für die Sozialdemokratie nahezu gleich. Der Stimmanteil bei den (7) Reichstagswahlen während des Sozialistengesetzes zwischen 1878 und 1890 liegt zwischen 66,2% und 78,4%.
In den folgenden Jahren steigt der Stimmenanteil weiter an und erreicht 1903 mit 84,7% den höchsten Stand. Ein Rückgang ist bei der Wahl 1912 zu verzeichnen, es werden nur noch 63,4% erzielt. Dies ist aus unterschiedlichen Gründen wohl auf den gescheiterten Streik 1911/1912 bei der Carlshütte zurückzuführen.


Diese außergewöhnlichen Ergebnisse sind ohne eine örtliche Organisation, in welcher Form auch immer, nicht denkbar. Dies ist auch daran zu erkennen, dass Sozialdemokraten kommunalpolitisch aktiv werden.
Seit 1893 ist nach der Preußischen Landgemeinde Ordnung in Büdelsdorf eine Gemeindevertretung mit 6 Mitgliedern zu wählen. Die Wahl erfolgte nach dem Preußischem Dreiklassenwahlrecht.(Die Wähler wurden nach ihrer Steuerleistung in drei Abteilungen - Klassen - eingeteilt).

Bei der ersten Wahl 1893 stellte in Büdelsdorf

1 Wähler der Klasse I        2 Gemeindevertreter
7 Wähler der Klasse II       2 Gemeindevertreter
163 Wähler der Klasse III   2 Gemeindevertreter

Obwohl auf der Grundlage dieses Wahlrechts eine angemessene Vertretung nicht möglich war, reichte der Allgemeine Arbeiterverein im Januar 1908 eine Eingabe mit 161 Unterschriften ein. Beantragt wurde die Erhöhung der Zahl der Gemeindevertreter auf 9 Mitglieder um eine bessere Beteiligung der Gemeindemitglieder an der Verwaltung zu gewährleisten. Die Gemeindevertretung fasste einen entsprechenden Beschluss und die Zahl der Gemeindevertreter wurde auf neun erhöht.

Unklar ist, ob der Allgemeine Arbeiterverein mit einer örtlichen Organisation der SPD gleichgesetzt werden kann. Jedenfalls haben Sozialdemokraten die Initiative unterstützt. Zwei der drei 1908 in Klasse III gewählten Gemeindevertreter sind nachweislich Mitglieder der SPD (Johann Kühl und Johann Rohwer) und auch nach 1919 als Gemeindevertreter tätig.



Revolution und Verteidigung der Republik


Am 05. November 1918 übernahm ein Arbeiter- und Soldatenrat in Rendsburg die Militär- und Zivilverwaltung und verkündete am 7. November 1918, dass alle Behörden sich bereit erklärten ihre Geschäfte auch unter der neuen Verwaltung zum Nutzen der Allgemeinheit weiterzuführen. Der Arbeiter und Soldatenrat rief zu Ruhe und Ordnung auf und es kam zu keinerlei Ausschreitungen.
Im Rendsburger Arbeiter- und Soldatenrat waren auch Büdelsdorfer Einwohner vertreten.
Für Büdelsdorf wurde aber ein besonderer Arbeiterrat gebildet, dem sechs Arbeiter angehörten, davon waren fünf Mitglieder der SPD, nämlich

Rentner Johannes Thiessen
Tischler Johann Rohwer
Former Johann Johannsen
Arbeiter Theodor Schröder
Tischler Franz Wisser

Die Gemeinde Büdelsdorf, Gemeindverwaltung und Vertretung, erhielt als Kontrollorgan vom Arbeiterrat einen Beigeordneten zugeteilt. Dieses Amt versah zunächst der Rentner Johannes Thiessen (SPD), später Bürovorsteher Alfred Schmidt.
Am 08. März 1919 wird für Büdelsdorf erstmals eine Gemeindevertretung in geheimer, gleicher und direkter Wahl mit folgendem Ergebnis gewählt.

SPD Stimmanteil 75% Gemeindevertreter 9
Bürgerliche Liste 17% 2
Angestellten Liste 8% 1
Auch Frauen sind bei dieser Wahl erstmals wahlberechtigt.


Für die SPD ein eindrucksvolles Ergebnis. Aus der bisherigen Vertretung sind die Genossen Johann Kühl und Johann Rohwer wieder dabei und aus dem Arbeiterrat werden außerdem die Genossen Theodor Schröder und Franz Wisser in die Vertretung gewählt.
Die SPD ist in Büdelsdorf bis zum Ende der Weimarer Republik die führende politische Kraft, wie die nachstehenden Ergebnisse der Kommunalwahlen zeigen








Am 14. August 1919 tritt die Weimarer Verfassung in Kraft. Schon einige Monate später, am 13. März 1920, soll sie durch den Kapp-Putsch beseitigt werden. Die SPD und einige Minister der Reichsregierung, die der SPD angehören, rufen zum Generalstreik auf. Dem Aufruf wird im ganzen Reich gefolgt und der Streik wird vom 15.03 – 18.03.1920 auch in Büdelsdorf durchgeführt.

Am 16. März 1920 stellt die von der Streikleitung bestellte Ortswache einen mit einem Offizier und drei Soldaten der Reichswehr besetztes Automobil auf dem Weg zur Rendsburger Garnison. Das Auto wurde beschlagnahmt, es gehörte wie sich später herausstellte Prinz Heinrich von Preußen.
Die Gemeindevertretung gründete am 18. 03. 1920 eine 200 Mann starke Bürgerwehr unter der Leitung eines Wehrausschusses bestehend aus Franz Wisser (SPD), Friedrich Frahm (SPD) und Hans Jöhnk.
Nach Abwehr des Putsches kann die Bürgerwehr aufgelöst werden.

Wegen Zunahme republikfeindlicher kommunistischer (Roter Frontkämpferbund), monarchisch/faschistischer (Stahlhelm) und nationalsozialistischer (SA) Aktivitäten gründet sich 1924 zum Schutz der Republik aus Mitgliedern der SPD, der Deutschen Demokratischen Partei, der Deutschen Zentrumspartei und den Gewerkschaften das „Reichsbanner Schwarz – Rot – Gold“.
Selbstverständlich gründet sich in Büdelsdorf eine Ortsgruppe, die später in eine Ortsgruppe Groß – Rendsburg aufgeht.
Als SPD - Ortsvereinsvorsitzende sind von 1919 bis 1933 nachweislich die Genossen
F. Rehmer (Dreher) und H. Gosch (Schlosser) tätig. Sie sind auch Gemeindevertreter.





Kommunalpolitik 1919 – 1933

Am 22.11.1919 beschließt die Gemeindevertretung die Satzung der Gemeindesparkasse, die am 1. Mai 1920 ihren Betrieb aufnimmt.
Im Juli 1926 erfolgt nach Ausscheiden von Herrn Stamer die Wahl von Heinrich Jacobs (SPD) zum Amts- und Gemeindevorsteher. Mit seiner Wahl beginnt eine erfolgreiche kommunalpolitische Periode. Heinrich Jacobs war gelernter Schiffbauer und seit 1919 Redakteur bei der Volkszeitung in Kiel. Bei den Gemeindewahlen im Jahr 1919 wurde er in Kiel zum Stadtverordneten gewählt und 1924 Stadtverordnetenvorsteher.

Schon im August 1926 veranlasst Heinrich Jacobs die Gemeindevertretung zu einer Gründungsversammlung einer Baugenossenschaft einzuladen um den Wohnungsmangel zu beheben. Am 3. September 1926 gründen 80 Bauinteressenten die „ Gemeinnützige Baugenossenschaft Büdelsdorf eGmbH“ (heute BGM) und wählen Heinrich Jacobs zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Die Baugenossenschaft errichtete bis 1930 mit vielfältiger Unterstützung der Gemeinde 80 Wohnungen in der Heimstraße.

In der Ortsgruppe Büdelsdorf des Reichsbanners „Schwarz – Rot – Gold“ regt sich
1927 der Wunsch dem am 28.02.1925 verstorbenen Reichspräsidenten Ebert ein
Denkmal zu setzen. Das Gelände des neu angelegten Sportplatzes am Eiderstrand
soll der Standort sein. Bei den Vorarbeiten mit Architekten- und Künstlerwettbewerb
ergibt sich dann, dass es ein Denkmal für den Kreis Rendsburg werden soll. Die
erforderlichen Mittel werden durch eine Haussammlung, Spenden und unentgeltliche
Arbeiten der Reichsbannerkameraden aufgebracht. Die Firmen Ditting, Heinrich Brandt
und Heinemann unterstützen die Eigenarbeiten.
Am 1. Juli 1928 wird das Denkmal eingeweiht.



Ein Festzug vom Paradeplatz Rendsburg nach Büdelsdorf hat ca. 4000 Teilnehmer. Es sind Mitglieder des Reichsbanners, Gewerkschaftler, Mitglieder von demokratischen Parteien und vonSportvereinen.

Festreden wurden gehalten u. a. von Vertretern der Preußischen Staatsregierung, der
Regierungspräsidenten und des Landrates. Begleitet wurde die Feier durch
Spielmannszüge des Reichsbanner und der Sportvereine. 120 Arbeitersänger und
Sängerinnen ließen ihre Lieder erschallen.
Die Errichtung des Denkmals zu Ehren von Friedrich Ebert ist zugleich ein kraftvolles
Bekenntnis der Bevölkerung zur Republik und zur Demokratie.

Auf dem Eidervorgelände hat die Gemeinde einen ca. 3,5 ha großen Sportplatz
eingerichtet.
Der Platz hat eine 400 m Kampfbahn, ein Übungsfeld für Radfahrer, Vorturnerpodium
und 400 Tribünenplätze. Er wurde als einer der besten Anlagen dieser Art in der
Provinz Schleswig Holstein bezeichnet.
Auf der neu errichteten Sportanlage findet am 21. und 22. Juli 1928 das
Provinzial Arbeiter Sportfest Schleswig – Holstein
statt.
Die Arbeiterwohlfahrt errichtete mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde im
Frühjahr 1930 an der Eider ein Kinderheim. Das Heim diente von Mai bis September
der Kindererholungsfürsorge. Zwischen 60 und 90 von Führsorgeeinrichtungen
ausgesuchte Kinder machten eine durch zwei Kindergärtnerinnen betreute 4 bis 6
wöchentliche Kur. Die Kindergärtnerinnen wurden durch ehrenamtliche Helferinnen der
AWO unterstützt. Für 28 Kinder waren Betten zur Übernachtung vorhanden. Die Mittel
zur Deckung der Kosten wurden durch Beihilfen der Gemeinden, des Kreises und der Provinz aufgebracht. Krankenkassen und Wohlfahrtsorganisationen beteiligten sich ebenfalls.
Die im Heim vorhandene Küche wurde in den Wintermonaten als Notküche benutzt.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechterten sich rapide. 1928 hatte die Gemeinde Büdelsdorf 22 Wohlfahrtserwerbslose (Arbeitslose, die keine Arbeitslosenunterstützung erhielten), 1932 waren es 250.
Ca. 30% der Büdelsdorfer Einwohner, dass waren 1523 Personen, lebten 1932 von Arbeitslosengeld oder Fürsorgemaßnahmen.
Von der AWO wurden täglich bis zu 430 Mittagessen ausgegeben. Die Notküche wurde durch Geschäftsleute und Landwirte aus Büdelsdorf, Rickert, Alt Duvenstedt, Hohn und Jevenstedt mit Spenden und Sachlieferungen (Kartoffeln, Kohl, Rüben, Getreide) unterstützt.
Am 5. Oktober 1931 verstirbt Heinrich Jacobs nach kurzer Krankheit. Er war neben seiner Tätigkeit als Amts- und Gemeindevorsteher Mitglied des Kreistages und des Provinzial – Landtages und vieler Organisationen wie Reichsbanner und Gewerkschaft.
In nur etwas mehr als 5 Jahren hat er das Bild der Gemeinde Büdelsdorf durch sozialdemokratische Kommunalpolitik verändert und geprägt.
Seine Aktivität im Wohnungsbau wirkt über seinen Tod hinaus.

Am 6.10.1931 wird im Rahmen der Brüningschen Notverordnung ein Reichskommissar für Kleinsiedlungswesen bestellt. Seine Aufgabe war es, geeignetes Bauland für Kleinsiedlungen notfalls durch Enteignung zu beschaffen. Kleinsiedlungen sollten Erwerbslose und Kurzarbeiter unterstützen. In Büdelsdorf ist seine Tätigkeit nicht erforderlich. Schon im Nov./Dez 1931 beginnt die Gemeinde Büdelsdorf mit der Beratung von Interessenten und Baulandbeschaffung. Im September 1932 ist Baubeginn und im Rahmen des Programms vorstädtische Kleinsiedlungen werden Brandheideweg, Rotdornstrasse und Rosenweg bebaut.
Wie im übrigen Reich beginnt auch in Schleswig – Holstein ab 1930 der Aufstieg der NSDAP, sie bekommt 1932/33 bei den Reichstagswahlen 51% bzw. 53%.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich in Büdelsdorf. Wie bereits ausgeführt tritt hier die NSDAP erst bei den nicht mehr freien Wahlen am 13. März 1933 in Erscheinung. Zu diesem Zeitpunkt waren durch Verordnungen des Reichspräsidenten vom 4. und 28. Februar 1933 die Grundrechte bereits außer Kraft gesetzt. Daher waren u. a. Beschränkungen der persönlichen Freiheit, der Pressefreiheit, Eingriffe in das Postgeheimnis, Hausdurchsuchungen und beschlagnahme von Eigentum auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig.
Die SPD bleibt in Büdelsdorf mit 47% der Stimmen und 8 Sitzen stärkste Fraktion in der Gemeindevertretung.
Eine politische Arbeit ist aber nicht mehr möglich. Am 3. Juli 1933 macht der Landrat das Verbot aller Versammlungen der SPD und ihrer Hilfs- und Ersatzorganisationen bekannt.
Am 14.07.1933 wird die SPD im Deutschen Reich verboten.
In der Gemeindevertretersitzung am 29. Dezember 1933 gibt Gemeindevorsteher Drasdo bekannt, dass am 1. Januar 1934 das neue Gemeindeverfassungsgesetz vom 15. Dezember 1933 in Kraft tritt.
Die gewählten Gemeindevertreter werden entlassen. Es wird zukünftig ein Gemeinderat berufen.
Damit ist auch in Büdelsdorf der Weg in die Diktatur abgeschlossen.



Quellen:
Verwaltungsbericht der Gemeinde Büdelsdorf. 1914 bis 1926
Jens Uwe Lemburg : Arbeit auf der Hütte
Wilfried Kalk: Arbeiterbewegung in Rendsburg seit 1848
1900 – 2000 Baugenossenschaft Mittelholstein
Akten der Gemeinde Büdelsdorf im Archiv der Stadt.

22.02.2013
Heinz Danker




Die Geschichte der SPD Büdelsdorf wurde zum 150 jährigen Bestehen der Partei in einer Arbeitgruppe zusammengestellt. Eine Übersicht finden Sie in einem Informationsblatt der Kreis-SPD, zusammen mit interessanten anderen Ortsvereinsgeschichten, unter dem angegebenen link

.http://www.spd-net-sh.de/rdeck/daten/user_pages/150JahreSPD/150JahreSPD.pdf